"Zufall ist immer eine nicht durchschaute Gesetzmäßigkeit."
Beim quantenmechanischen Zufall scheint dies ja nicht der Fall zu sein. Diverse Experimente (darunter auch ihre) schliessen eine Gesetzmässigkeit aus.
Eine solche Aussage sollte aber jedem gesunden Menschenverstand zu denken geben. Wie kann überhaupt etwas ohne Gesetzmässigkeit existieren? Ist eine Gesetzmässigkeit (wie auch immer eine solche aussehen mag) nicht die Grundlage jedweden Form von Existenz?
Assoziation: "Ich bin schließlich keine 80 mehr." (Marcel Reich-Ranickis Erklärung mit 86, warum er kein "Literarisches Quartett" mehr macht) Fragwürdigste Frage: ZEIT: Können Sie sich nicht vorstellen, dass es junge Schriftsteller heute ärgert, dass Sie beide ihnen immer noch das Licht wegnehmen? Größte Selbstverstädlichkeit: Grass: ...Die Altersfrage kann doch keine Qualitätsfrage sein. Witzigster Satz: Grass: …Das Papier ist nach wie vor erschreckend weiß. Hartnäckigstes Rätsel: ZEIT: Aber die große Frage …: Zufall oder nicht Zufall?
Genau diese Nummer der "ZEIT" habe ich zum Beispiel gratis bekommen, als ich am Samstagvormittag nicht ganz zufällig in der Kasseler Innenstadt unterwegs war, wo sich anläßlich der documenta nicht nur der Bundespräsident, viele Ausländer und allerlei seltsame Vögel aufhielten, sondern auch alles Mögliche umsonst verteilt wurde, unter anderem eine quietschrote Tüte, "Kultursackerl" beschriftet, die Werbung für das Museumsquartier Wien und das Architekturzentrum Wien enthielt. War ein interessanter Vormittag.
Was kann Walser mit "Zufall ist immer eine nicht durchschaute Gestzmäßigkeit." meinen? Es ist jedenfalls nicht so, dass es für das Einzelereignis immer eine gesetzmäßige Erklärung gibt. Allerdings gibt es Ausnahmen. So wird eine Messung unmittelbar nach einer vorherigen Messung derselben Eigenschaft immer das gleiche Resultat liefern. Darüber hinaus gibt es eine statistische Gesetzmäßigkeit. Den Durchschnitt - der Quantenphysiker sagt dazu Erwartungwert - über dieselbe Messung an einer grossen Zahl von gleich präparierten Teilchen kann die Quantentheorie mit sehr grosser Genauigkeit vorhersagen. Also auch hier gibt es Gesetzmäßigkeit.
Auch wenn es mir widerstrebt, aber letztendlich ist das Ganze langfristig ziemlich determiniert. Sich dagegen sträuben scheint mir irgendwie sinnlos, weil es das Ganze nur hinauszögert... ??? Aber vielleicht hat das auch seinen Sinn. Das Rad musste früher oder später kommen, genauso wie der Schuhlöffel , die Bankomatkarte oder das Mobiltelefon. Was kommen muss, wird kommen... Was es in der Quantenmechanik zu entdecken gibt, wird man entdecken. Nichts für ungut, wenn ich das hier schreibe. Glücklich der, dem es zufällt.
Heute ist die neue Nummer von "Spektrum der Wissenschaft" hereingeschneit mit einem freundlichen Vorwort des Chefredakteurs und einem Bilderwitz, der dem mit dem Quanten-Skifahrer ähnelt. Ab jetzt kann also zu Hause (quanten)radiert werden. Diesmal gibt´s Vorwort, Witz und Artikel sogar kostenlos: http://www.spektrumverlag.de/artikel/875599&_z=798888
Da sich leider auch diesmal nur so wenige zu Wort gemeldet haben, also nochmal ich mit zwei Anmerkungen zu Walser- Thomas Mann- Tonio Kröger: Walser hat sich schon öfter so wie im Interview negativ zu Werken von Thomas Mann geäußert. Einmal hat ihn Marcel Reich-Ranicki (MRR) daran erinnert, daß er doch den Tonio Kröger sogar auswendig gelernt hätte, worauf Walser verlegen murmelte: "Nun ja, zu Studienzwecken." MRR schreibt auch: "…und man muß wissen, daß Walser seit seiner Jugend in Thomas Mann verliebt und vernarrt ist und gerade diese Erzählung für eine der wichtigsten in unserem Jahrhundert hält" Außerdem könnte durch das, was im Interview zu dieser Erzählung gesagt wird, der Eindruck entstehen, als würde bei Tonio Kröger das Leben nur durch die Kunst, durch die Arbeit zu kurz kommen. Aber dieser Konflikt ist vordergründig. Einfach gesagt: Es ist verständliche Angst, die Kröger- und damit natürlich Thomas Mann- davon abhält, so zu leben, wie er eigentlich möchte.
Tut mir leid, da habe ich mich wohl ein wenig zu kurz gefaßt; ist ja schließlich kein literarisches Diskussionsforum hier, außerdem dachte ich, die Hintergründe seien inzwischen zur Genüge bekannt. Es ist schwierig, gleichzeitig kurz und verständlich zu schreiben. Den Inhalt der Novelle will ich nicht nacherzählen. Tonio Kröger (TK) und Thomas Mann (TM) sind natürlich nicht völlig identisch, aber vieles trifft auf beide zu. Der in der Erzählung von TK verehrte Mitschüler wurde nach einem von TM angeschwärmten Mitschüler gestaltet, der seinerzeit TM jedoch kalt, spöttisch und verständnislos abblitzen lies, eine Erfahrung, die TM nie vergessen konnte, die ihn vorsichtig werden ließ und letztlich auch seinen Stil beeinflußte: sozusagen vom Pathos zur Ironie. TK muß sich am Ende des 4.Kapitels sagen lassen, er sei ein "verirrter Bürger", was bedeutet, daß er nicht nur Angst vor den Reaktionen der anderen hat, sondern auch im Widerstreit mit sich selbst liegt. Im Fall TM gibt es Vermutungen, daß es um mehr geht, als man heute weiß. Als er sich 1933 auf einer Vortragsreise im Ausland aufhielt und klar wurde, daß es besser war, nicht zurückzukehren, stand er schwere Ägste aus, seine noch in Deutschland befindlichen Tagebücher könnten in falsche Hände geraten. Er bekam sie wieder, hat jedoch später einen großen Teil davon verbrannt, so daß man nur mutmaßen kann, was ihn in diesem Zusammenhang so besonders belastet haben mag (nachzulesen bei Michael Maar, Das Blaubartzimmer. Thomas Mann und die Schuld).
8 comments:
@Hr. Zeilinger
Mir stach beim lesen folgendes hervor:
"Zufall ist immer eine nicht durchschaute Gesetzmäßigkeit."
Beim quantenmechanischen Zufall scheint dies ja nicht der Fall zu sein. Diverse Experimente (darunter auch ihre) schliessen eine Gesetzmässigkeit aus.
Eine solche Aussage sollte aber jedem gesunden Menschenverstand zu denken geben. Wie kann überhaupt etwas ohne Gesetzmässigkeit existieren? Ist eine Gesetzmässigkeit (wie auch immer eine solche aussehen mag) nicht die Grundlage jedweden Form von Existenz?
Wie sehen Sie das?
Assoziation: "Ich bin schließlich keine 80 mehr." (Marcel Reich-Ranickis Erklärung mit 86, warum er kein "Literarisches Quartett" mehr macht)
Fragwürdigste Frage: ZEIT: Können Sie sich nicht vorstellen, dass es junge Schriftsteller heute ärgert, dass Sie beide ihnen immer noch das Licht wegnehmen?
Größte Selbstverstädlichkeit: Grass: ...Die Altersfrage kann doch keine Qualitätsfrage sein.
Witzigster Satz: Grass: …Das Papier ist nach wie vor erschreckend weiß.
Hartnäckigstes Rätsel: ZEIT: Aber die große Frage …: Zufall oder nicht Zufall?
Genau diese Nummer der "ZEIT" habe ich zum Beispiel gratis bekommen, als ich am Samstagvormittag nicht ganz zufällig in der Kasseler Innenstadt unterwegs war, wo sich anläßlich der documenta nicht nur der Bundespräsident, viele Ausländer und allerlei seltsame Vögel aufhielten, sondern auch alles Mögliche umsonst verteilt wurde, unter anderem eine quietschrote Tüte, "Kultursackerl" beschriftet, die Werbung für das Museumsquartier Wien und das Architekturzentrum Wien enthielt. War ein interessanter Vormittag.
Was kann Walser mit "Zufall ist immer eine nicht durchschaute Gestzmäßigkeit." meinen? Es ist jedenfalls nicht so, dass es für das Einzelereignis immer eine gesetzmäßige Erklärung gibt. Allerdings gibt es Ausnahmen. So wird eine Messung unmittelbar nach einer vorherigen Messung derselben Eigenschaft immer das gleiche Resultat liefern. Darüber hinaus gibt es eine statistische Gesetzmäßigkeit. Den Durchschnitt - der Quantenphysiker sagt dazu Erwartungwert - über dieselbe Messung an einer grossen Zahl von gleich präparierten Teilchen kann die Quantentheorie mit sehr grosser Genauigkeit vorhersagen. Also auch hier gibt es Gesetzmäßigkeit.
Auch wenn es mir widerstrebt, aber letztendlich ist das Ganze langfristig ziemlich determiniert. Sich dagegen sträuben scheint mir irgendwie sinnlos, weil es das Ganze nur hinauszögert...
???
Aber vielleicht hat das auch seinen Sinn.
Das Rad musste früher oder später kommen, genauso wie der Schuhlöffel , die Bankomatkarte oder das Mobiltelefon. Was kommen muss, wird kommen... Was es in der Quantenmechanik zu entdecken gibt, wird man entdecken. Nichts für ungut, wenn ich das hier schreibe.
Glücklich der, dem es zufällt.
Heute ist die neue Nummer von "Spektrum der Wissenschaft" hereingeschneit mit einem freundlichen Vorwort des Chefredakteurs und einem Bilderwitz, der dem mit dem Quanten-Skifahrer ähnelt. Ab jetzt kann also zu Hause (quanten)radiert werden. Diesmal gibt´s Vorwort, Witz und Artikel sogar kostenlos:
http://www.spektrumverlag.de/artikel/875599&_z=798888
Da sich leider auch diesmal nur so wenige zu Wort gemeldet haben, also nochmal ich mit zwei Anmerkungen zu Walser- Thomas Mann- Tonio Kröger: Walser hat sich schon öfter so wie im Interview negativ zu Werken von Thomas Mann geäußert. Einmal hat ihn Marcel Reich-Ranicki (MRR) daran erinnert, daß er doch den Tonio Kröger sogar auswendig gelernt hätte, worauf Walser verlegen murmelte: "Nun ja, zu Studienzwecken." MRR schreibt auch: "…und man muß wissen, daß Walser seit seiner Jugend in Thomas Mann verliebt und vernarrt ist und gerade diese Erzählung für eine der wichtigsten in unserem Jahrhundert hält"
Außerdem könnte durch das, was im Interview zu dieser Erzählung gesagt wird, der Eindruck entstehen, als würde bei Tonio Kröger das Leben nur durch die Kunst, durch die Arbeit zu kurz kommen. Aber dieser Konflikt ist vordergründig. Einfach gesagt: Es ist verständliche Angst, die Kröger- und damit natürlich Thomas Mann- davon abhält, so zu leben, wie er eigentlich möchte.
@andrea: welche angst?
Tut mir leid, da habe ich mich wohl ein wenig zu kurz gefaßt; ist ja schließlich kein literarisches Diskussionsforum hier, außerdem dachte ich, die Hintergründe seien inzwischen zur Genüge bekannt.
Es ist schwierig, gleichzeitig kurz und verständlich zu schreiben. Den Inhalt der Novelle will ich nicht nacherzählen. Tonio Kröger (TK) und Thomas Mann (TM) sind natürlich nicht völlig identisch, aber vieles trifft auf beide zu. Der in der Erzählung von TK verehrte Mitschüler wurde nach einem von TM angeschwärmten Mitschüler gestaltet, der seinerzeit TM jedoch kalt, spöttisch und verständnislos abblitzen lies, eine Erfahrung, die TM nie vergessen konnte, die ihn vorsichtig werden ließ und letztlich auch seinen Stil beeinflußte: sozusagen vom Pathos zur Ironie.
TK muß sich am Ende des 4.Kapitels sagen lassen, er sei ein "verirrter Bürger", was bedeutet, daß er nicht nur Angst vor den Reaktionen der anderen hat, sondern auch im Widerstreit mit sich selbst liegt.
Im Fall TM gibt es Vermutungen, daß es um mehr geht, als man heute weiß. Als er sich 1933 auf einer Vortragsreise im Ausland aufhielt und klar wurde, daß es besser war, nicht zurückzukehren, stand er schwere Ägste aus, seine noch in Deutschland befindlichen Tagebücher könnten in falsche Hände geraten. Er bekam sie wieder, hat jedoch später einen großen Teil davon verbrannt, so daß man nur mutmaßen kann, was ihn in diesem Zusammenhang so besonders belastet haben mag (nachzulesen bei Michael Maar, Das Blaubartzimmer. Thomas Mann und die Schuld).
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